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Erinnerungen im Ohr ist ein Stück über Hörwahrnehmungen von Folteropfern. Ein Konglomerat von auditiven Traumata. Die Instrumente schlüpfen in dramaturgisch konzipierte Rollen, wie Personen, und werden in sprechendem Gestus behandelt. Die Posaune, die aus eigenen physikalischen Kräften Zusatzinstrumente zum Klingen bringt oder durch diese Klangveränderungen erfährt, eröffnet dadurch Assoziations-, Kontemplations- und Schreckensräume.
Man könnte sagen, die drei Stücke sind eine Art instrumentale Oper. Erinnerungen im Ohr setzt den Schlusspunkt hinter die Auseinandersetzung mit der Oper Der Tod und das Mädchen.
I. In der Dunkelheit
Das monologisierende „Ich“ (Posaune) ist allein in einer absolut finstern Zelle. Die unbestimmte Situation treibt dieses „Ich“ in einen innern Selbstgesprächs-Monolog. Frage an Frage reiht sich aneinander, und jede vermeintliche Antwort ist mit einer konkreten Hör-Erinnerung konnotiert. Dieses innere Hören ruft Erlebtes wach, das durch das die Posaune umgebende Instrumentarium erinnernd Gestalt annimmt. Manchmal glaubt das „Ich“ Schritte, Stimmen, Geräusche zu hören. Sind sie real oder Phantasmen im innern Ohr? Eine zitternde, weinende Stimme (Saxophon) glaubt das „Ich“ zu erkennen . . . ist es die Stimme seiner Frau...? - - - Ein plötzliches, gewaltsames Herausreissen aus der Dunkelheit in das schmerzende grelle Licht beendet diesen innern Monolog abrupt.
II Der Irre
Das „Ich“ (Violoncello) bekommt nach langer Zeit – unter Aufsicht – wieder einmal etwas zu essen. Diese Oase von Lust und Sinnlichkeit im Elend wird durch den Auftritt des Irren (Posaune) brutal zerstört. Schreiend, sich in Wut steigernd, macht der Irre dem „Ich“ klar, dass unter ihm alle „singen“ werden, auch es. Das „Ich“ wird herausgezerrt – die Tortur beginnt . . . . .
III. los Companeros
In drei benachbarten Zellen versuchen sechs Inhaftierte gegenseitig Kontakt aufzunehmen. Nummer eins (Violoncello) und Nummer zwei (Bassklarinette) nehmen mit dem Neuankömmling Nummer sechs (Posaune) Kontakt auf. Dieser antiphonische, deklamatorisch geprägte Austausch findet an der Grenze des Hörbaren statt. Als Überlebensstrategie wiederholt Nummer vier (Flöte) in der Art einer Litanei lieb gewonnene Floskeln eines Gedichtes in einer Art „Sprachklang“; eben so versucht Nummer fünf (Trompete) mit einem Gebet den Sinn des Sinnlosen zu begreifen. Nummer drei (Saxophon) flüchtet sich in die optimistische Melodik von Volksliedern. In einer brutalen Intervention wird Nummer drei aus der Zelle gerissen. Die Lieder verstummen – ein Moment herrscht atemlose Stille – danach wird nur noch geflüstert - - -
AKZ
2012